Am Mittwoch den 10. Oktober 2018 mussten meine Austauschpartnerin Camille und ich wie immer früh aufstehen um mit dem Bus von Oraison nach Manosque zu fahren. Diesmal hatten wir einen Koffer dabei, in den wir am Tag zuvor unsere Sachen für die anstehende Übernachtung im Internat verstaut hatten. Ich war wirklich aufgeregt, da ich noch nie zuvor in einem Internat geschlafen hatte. Camille hatte mir zwar viel davon berichtet, aber dennoch wusste ich nicht, ob es mir dort gefallen würde.
Um 7:30 Uhr kamen wir dann am Lycée Félix Esclangon an. Wir warteten vor dem Tor und unterhielten uns mit einigen von Camilles Freunden, die ich alle bereits einige Tage zuvor kennen gelernt hatte. Um kurz vor 8 Uhr betraten wir die Schule und bahnten uns einen Weg durch die engen Flure, um zum Englischunterricht zu gelangen. Im Klassenzimmer angekommen suchten wir uns einen Platz und ich wartete gespannt auf den Beginn des Unterrichts während meine Austauschpartnerin mit ihren Klassenkameraden sprach. Ich war am Vortag bereits mit im Englischunterricht gewesen, aber zu meiner Verwunderung musste ich feststellen, dass Camille zwei verschiedene Englischlehrer und Arten von Unterricht hatte. Der Lehrer sprach mehr Englisch als die Lehrerin der letzten Stunde, was ich sehr gut fand. Mir war aufgefallen, dass im französischen Fremdsprachenunterricht oft nur theoretisch über die zu lernende Sprache gesprochen wurde und die Schüler kaum Gelegenheit hatten, sie auch wirklich anzuwenden.
Nach einer weitere Englischstunde war der Unterricht für diesen Tag beendet. Ich verbrachte die Zeit bis zum Mittagessen mit Camille und einigen ihrer Freunde in Manosque. Wir unterhielten uns über die Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland, besonders im Schulsystem, und ich brachte ihnen einige einfache deutsche Sätze bei. Um die Mittagszeit gingen wir dann zusammen zur Schule zurück um zu essen.
Schließlich holten wir aus einem kleinen Raum mit Schließfächern unseren Koffer und betraten das Internat. Es bestand aus drei Etagen: Im ersten Stockwerk schliefen die Jungen und im zweiten und dritten jeweils die Mädchen. Camilles Zimmer war im zweiten Stockwerk. Als ich ihr hinein folgte und einen ersten Blick darauf werfen konnte, war ich wirklich positiv überrascht. Das Zimmer war sehr groß und hell. An der Wand gegenüber der Tür standen fünf aneinander geschobene Betten, eines davon für mich. An den Wänden hingen Fotos, Flaggen, ein Wandteppich, Zeichnungen und Texte, was den Raum mehr wie ein Zuhause wirken ließ. Ich begrüßte die anderen drei Bewohnerinnen des Zimmers, die allesamt mit Camille befreundet waren. Sie sagten mir, ich solle mich einfach wie zu Hause fühlen und zeigten mir mein Bett, meinen Schrank und die Toiletten und Duschen im Flur.
Als ich alles Wichtige gesehen und mich im Zimmer eingerichtet hatte, verließ ich das Internat gemeinsam mit Camille und ihren Freunden wieder. Da es stark regnete, konnten und wollten wir nicht nach draußen gehen. Stattdessen verbrachten wir den Nachmittag in einem Aufenthaltsraum, wo wir Tischtennis spielten und uns einen Film ansahen.
Ab 17 Uhr durften die Internatsschüler das Schulgelände dann nicht mehr verlassen. Das Tor wurde abgeschlossen und wir alle begaben uns in ein Klassenzimmer. Ich wunderte mich, dass die Schüler verpflichtet waren, abends für eine Stunde zu lernen und ihre Hausaufgaben zu machen, wobei sie streng beaufsichtigt wurden. Ich langweilte mich etwas, da ich nichts zu tun hatte und niemanden von seinen Aufgaben abhalten wollte, indem ich ein Gespräch anfing. Ich war also erleichtert, als um 18 Uhr das Signal ertönte, dass das Lernen beendet war. Wir kehrten ins Internat zurück und warteten im Zimmer, bis es Zeit zum Abendessen war.
Wir aßen, wie schon am Mittag, in der Kantine, wo ich sehr oft gefragt wurde, wer ich sei und woher ich komme. Später gingen wir erneut in unser Zimmer, redeten, lachten und hörten Musik. Um kurz vor 22 Uhr war es dann an der Zeit, sich zu waschen und die Zähne zu putzen.
Eine Aufsichtsperson, die entgegen meiner Erwartungen nicht besonders streng war, betrat das Zimmer, löschte das Licht und wünschte uns eine gute Nacht. Im Gehen schloss sie noch die Tür und es wurde langsam ruhiger.
Ich schlief schnell ein und war etwas traurig, dass dieser Tag schon vorbei war. Dafür hatte ich nun etwas, worauf ich mich in der kommenden Woche freuen konnte, dann da würde ich mittwochs wieder im Internat schlafen.
Judith Schimpf